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5. November 2025

Glaube braucht Präsenz – auch online

Jesuit P. Pascal Meyer über Mission, Authentizität und Berufungen im digitalen Raum

Sie verstehen Ihre Präsenz auf Social Media nicht nur als Kommunikation, sondern als Teil Ihrer Sendung als Jesuit. Was bedeutet für Sie «missionarisch» zu sein in einer Welt, die zunehmend digital kommuniziert?

Seit Beginn der Gesellschaft Jesu im 16. Jahrhundert gehört es zur Ordenstradition, Menschen auf kreative Weise Zugänge zum Glauben, zur Heiligen Schrift und zu einer christlichen Lebensführung zu eröffnen. Ob durch Platzpredigten, erste Katechismen – man denke an den heiligen Petrus Canisius –, aufwendig inszenierte Theaterstücke oder die frühen Sendungen von Radio Vatikan: Die Jesuiten haben stets neue Medien genutzt, um Menschen zu erreichen.

Für uns heute bedeutet das, an diese Tradition anzuknüpfen. Social Media hat für mich den Charakter eines neuen Kontinents angenommen – darüber sprach ich schon vor zehn Jahren als junger Ordensmann. Social Media ist für mich ein neuer Kontinent. Sich diesem Phänomen zu verschliessen, wäre ein Fehler. Wir müssen dort Räume schaffen, in denen religiöse Erfahrung möglich wird. Es geht darum, mit Sinn und Verantwortung präsent zu sein, um spirituelle Begegnung zu ermöglichen und ansprechbar zu bleiben für die Fragen der Menschen.

Auf Instagram oder Threads haben Sie nur wenige Sekunden, um Menschen zu erreichen. Wie gelingt es Ihnen, die Tiefe des Evangeliums in einem so begrenzten Format zu vermitteln?

Social Media hat zweifellos einen oberflächlichen Aspekt. Gleichzeitig kann dieser auch positiv genutzt werden. Das ist wie ein Köder beim Angeln: Ein kurzer Impuls kann Neugier wecken und Lust machen, sich tiefer mit dem Glauben zu befassen.

Kurzvideos oder Posts sind oft nur ein Einstieg. Wenn sie Neugierde auslösen und eine Resonanz schaffen, können daraus echte geistliche Prozesse entstehen. Entscheidend ist, Inhalte so zu gestalten, dass sie berühren – ohne zu belehren. Der Schlüssel liegt darin, Zugänge zu öffnen und Fragen anzustossen, nicht sofort Antworten zu liefern.

Als Priester teilen Sie online persönliche Momente und Glaubensimpulse. Wie halten Sie die Balance zwischen Authentizität und geistlicher Diskretion?

Die Balance ergibt sich aus einem gesunden Nähe-Distanz-Verhältnis – online wie offline. Ein gesundes Nähe-Distanz-Verhältnis gilt online wie offline. Natürlich gebe ich in meinen Beiträgen persönliche Einblicke, aber geistliche Begleitung bleibt vertraulich.

Es kommt vor, dass Menschen in privaten Nachrichten mehr über mich erfahren möchten, als ich öffentlich teile. Doch das wäre unklug, denn es könnte Druck erzeugen oder Erwartungen wecken, die einer geistlichen Beziehung nicht guttun. Ich muss vermeiden, dass Menschen sich mir gegenüber öffnen, nur um mehr über mich zu erfahren. Supervision und Selbstreflexion helfen, Grenzen zu wahren.

Hilfreich sind für mich regelmässige Weiterbildung, geistliche Begleitung und das ehrliche Nachdenken über mein Kommunikationsverhalten – all das schützt vor Grenzverwischungen.

Viele junge Menschen erleben Glaube und Kirche heute vor allem online. Welche Chancen und Grenzen sehen Sie in dieser digitalen Präsenz?

Viele verbinden mit Kirche vor allem negative Erfahrungen oder Klischees – unglaubwürdig, uninspiriert, distanziert. Dabei ist Kirche so viel mehr: international, vielfältig, engagiert. Sie ist nicht perfekt, aber sie ist lebendig – und heilbringend. Online können wir von Glaubens-erfahrungen erzählen – ehrlich, vielfältig und glaubwürdig. So entsteht Kontakt auch zu jenen, die der Kirche fernstehen. Wichtig ist dabei Qualität: Leider wird vieles produziert, das uninspiriert wirkt. Wir müssen lernen, den Glauben attraktiv zu kommunizieren. Social Media ersetzt keine Sakramente und keine Gottesdienste, aber sie kann Geschichten erzählen, Zeugnisse sichtbar machen und Wege öffnen. Früher musste man zufällig den richtigen Vortrag oder die passende Predigt hören. Heute kann jemand, der auf Social Media nach Glaubensinhalten sucht – selbst aus Skepsis –, dort einer Botschaft begegnen, die ihn berührt.

Gab es in Ihrer Arbeit als «swiss_jesuit» Momente, in denen aus digitalen Kontakten echte Berufungsgeschichten entstanden sind?

Ja, und das bewegt mich sehr. Mehrere Menschen haben durch meine Inhalte begonnen, über ihre Berufung nachzudenken oder sind in die Kirche zurückgekehrt. Oft beginnt es mit einer schüchternen Nachricht: ‚Darf ich überhaupt wieder katholisch sein?‘ – und daraus wächst ein echtes Glaubensgespräch. Likes sind schön, aber Begegnungen sind missionarisch wirksam.

Wie viele junge Priester kennt man schon im eigenen Umfeld? Umso wichtiger ist es, positive, ehrliche Einblicke ins Ordensleben zu geben – nicht als PR, sondern als gelebtes Zeugnis. Wenn daraus Berufungsgeschichten oder Wiedereintritte entstehen, ist das gelebte Mission: persönlich, respektvoll, konkret. Wenn wir diese Räume schaffen, dass junge Menschen mit ihren Fragen auf niederschwellige Weise in Kontakt mit der Kirche treten können, dann leisten wir einen konkreten Beitrag zur Berufungspastoral.

Schlussgedanke

Für P. Pascal Meyer ist Mission im digitalen Raum keine Modeerscheinung, sondern Teil eines alten jesuitischen Prinzips: Menschen dort zu begegnen, wo sie leben und kommunizieren. Glaube braucht Präsenz – auch online.